Aumühle Editorial - November - Gesa Laitenberger

Gesa Laitenberger Copyright: privat

November

Es kommt eine Zeit
da lassen die Bäume
ihre Blätter fallen
Die Häuser rücken
enger zusammen
Aus dem Schornstein
kommt ein Rauch.

Es kommt eine Zeit
da werden die Tage klein
und die Nächte groß
und jeder Abend
hat einen schönen Namen

Einer heißt Hänsel und Gretel
Einer heißt Schneewittchen
Einer heißt Rumpelstilzchen
Einer heißt Katherlieschen
Einer heißt Hans im Glück
Einer heißt Sterntaler

Auf der Fensterbank
im Dunkeln
dass ihn keiner sieht
sitzt ein kleiner Stern
und hört zu


Liebe Aumühlerinnen, liebe Aumühler,

mit diesem Gedicht von Elisabeth Borchers grüße ich Sie und Euch im November. Es steht im Buch „Und oben schwimmt die Sonne davon“, mit lauter Gedichten zu den Monaten des Jahres. Die haben mich und meine Geschwister durch die Kindheit begleitet; das November-Gedicht war mir vielleicht das liebste. Der November hat ja den Ruf, düster zu sein: mit Dauerregen und nachdenklichen, dunklen Themen zu Tod und Ewigkeit. Aber er hat auch schöne Abende – am Kamin, mit Bratäpfeln und schönen Geschichten.

Und „Einer heißt St. Martin“. Die Geschichte vom Heiligen Martin, die erzählen wir hier in der Aumühler Kirche jedes Jahr am Martinstag, das ist der 11. November. Es ist die Geschichte von Martin, dem römischen Offizier, der, anders als all seine Zeitgenossen, einen armen, frierenden Bettler am Straßenrand bemerkt und sich sofort um ihn kümmert. Er gibt ihm zu essen und teilt seinen Mantel-Umhang mit dem Mann. Er nimmt dafür Strafe in Kauf. Und dann hat er hat in der folgenden Nacht ein Traumgesicht: Jesus dankt ihm für seine Güte. „Ich selber war der Bettler“, sagt er zu Martin. 

Kinder mit ihren Laternen ziehen am 11. November durch den Ort, singend, hin zur Kirche, wo die Geschichte erzählt wird, gespielt von anderen Kindern und Jugendlichen. Als Kinder und als Eltern erleben wir hautnah mit, was Christus meint, wenn er sagt:  

„Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan“ (Matthäus 25,40). 

Und dann gehen wir wieder hinaus auf die Kirchenwiese und feiern, die schöne Geschichte noch im Herzen. Ob unsere Sterne über der Wiese an diesem Abend bereits leuchten werden, weiß ich nicht; aber oben im Kirchendach, „auf der Fensterbank im Dunkeln“, da sitzen dann kleine Sterne – und hören zu.

Bleiben Sie behütet!

Ihre Gesa Laitenberger